Karate 空手 als Wegübung

Wegübung im Sinne des dao oder  do 道 ist der eigentliche  Inhalt  des  Karate-do  空手道. Vieles hiervon erschließt sich zwar erst nach langem, oft jahrzehntelangem, Üben, aber bereits der Beginn der Bemühungen, auf diesen Weg zu gelangen, sollte von diesem Inhalt geprägt sein, wenn auch am Anfang oftmals praktische Aspekte, beim Karate in der Regel der Wunsch, sich verteidigen zu können, im Vordergrund stehen. Daran ist nichts auszusetzen. Das Weitere kann sich ergeben, wenn auf dem Weg mit Hingabe fortgeschritten wird. Später, wenn der eigentliche Inhalt des Weges deutlicher wird, ist die Fähigkeit zur Selbstverteidigung meist lange schon gegeben. Sie ist jedoch dann nicht mehr wichtig.

Wegübung vollzieht sich in vielen, praktisch allen Handlungen, sowohl im Dojo als auch außerhalb davon, in kleinen Gesten ebenso wie in alltäglichen Verrichtungen wie dem Reinigen des Bodens nach dem Training. Wesentlicher Bestandteil der Übung des Weges ist die Meditation. Sie kann bei längeren Sitzungen nach den Praktiken des Zen oder chan (chinesisch) durch Gehen im Kreis unterbrochen werden. Eine andere sehr wertvolle Übungsform ist das sich abwechselnde stille Sitzen und das gemeinsame, ebenfalls in Stille durchgeführte, Laufen einer Kata. 

Wegübung lässt sich nicht mit Worten beschreiben. Es lassen sich allerdings Hinweise geben, die als Bild das Empfinden jenseits des rationalen Bewusstseins berühren.So enthält unser Dojoschild den in pinyin „wen yi zai dao, wu yi zhe ge“ lautenten chinesischen Satz
 , .
Er besagt, dass die Kultur (Kunst, Literatur, Philosophie) dem Weg dient und die Kampfkunst den Krieg beendet. Beides, Kunst und Kampf, gehören zusammen, sind zwei Seiten einer Medaille und notwendige Bestandteile eines ganzheitlichen Kampfkunstweges. In China bilden die Begriffe wen und wu ein Begriffspaar, das selbst als Straßenname verwendet wird.

Was steht aber hinter diesem Bild? Es ist das, was den eigentlichen Sinn des Begriffes Budo ausmacht. Dieser steht für uns bei der Übung des Karate im Zentrum.

Das japanische Wort Budo, im Deutschen oftmals fälschlicherweise als Kampfkunst und im Englischen, noch unzutreffender, als martial arts im Sinne von Kriegskunst übersetzt, besteht aus den zwei chinesischen Schriftzeichen (bu) und (do).

Das zweite Schriftzeichen (do) ist von dem buddhistischen Sanskritzeichen marga abgeleitet und bedeutet Weg im Sinne des dao. Hierzu sei auf die Schriften und Vorträge von Karlfried Graf Dürckheim und das wunderbare Buch Siddhartha von Hermann Hesse verwiesen.

Was aber meint das erste Schriftzeichen (bu)? Dies wird deutlich, wenn man es genauer betrachtet. Es besteht aus zwei Elementen, nämlich dem links unten angeordneten Element , das Stoppen oder Beenden bedeutet, und dem rechts oben angeordneten Element , das Lanze oder Speer bedeutet und allgemein als Symbol für Waffen verwendet wird. Die ursprüngliche Bedeutung des mit dem Schriftzeichen (bu) Gemeinten ist somit, die Waffen zu stoppen, das heißt Frieden zu schaffen.

Ziel der Übung des Karate als Budo im Sinne einer Wegübung, wie es bei uns praktiziert wird, ist es somit, Frieden zu erreichen, im eigenen Inneren und im Verhältnis zu anderen.